2011 Holter

Maria Christine Holter

Auszug aus der Eröffnunsrede in der Galerie Schloss Puchheim
2011

Fritz Ruprechter lebt und arbeitet im Süden von Wien, wo er in einer alten Textilmühle in Maria Lanzendorf Wohnung und Atelier hat. Er wurde 1950 in Matrei in Osttirol geboren, studierte an der Hochschule für angewandte Kunst in Wien und vollendete sein Malerei- und Grafikstudium an den Kunsthochschulen von Cork, Irland und Groningen in den Niederlanden.

Mit Ruprechters reger internationaler Ausstellungstätigkeit kann wahrscheinlich nur seine Reisetätigkeit mithalten: Gemeinsam mit seiner Partnerin, einer Ethnologin, bereist er mehrere Monate im Jahr Lateinamerika und Japan. Japan hat ihn nicht nur künstlerisch stark geprägt, sondern vor allem auch philosophisch in lebensdurchdringender Weise. Über viele Jahre hinweg hat sich Ruprechter eine Meisterschaft im japanischen Bogenschießen »KYUDO« erworben. Auf einem eigens dafür ausgebauten Dachboden der Mühle kann er mit Gleichgesinnten diese hochkonzentrierte, vom Zen-Buddhismus beeinflusste Sportart ausüben, oder besser gesagt »meditieren« – eine wunderbare Ergänzung zu seiner ebenfalls von extremer Konzentration bestimmten Arbeit im Atelier.

Denn wie man unschwer erkennen kann, handelt es sich bei Ruprechters Paneelen und Arbeiten auf Papier um Werke, die einer ruhigen Hand, eines genauen Auges und eines extrem wachen Geistes bedürfen. Diesen widmet er sich in fast mönchischer Haltung, die wiederum in der kontemplativen Betrachtung seiner Arbeiten ihren Widerhall findet.

Ruprechters signifikantestes Gestaltungselement ist die Schräge in Linie, Fläche und räumlicher Überschneidung. Seine Mittel sind sparsam: Als Werkzeuge dienen ihm Bleistift und Kugelschreiber, ein Lineal für die Linienzeichnung und die Faltungen, Aquarellfarben und Industrielacke für die auf Blau-, Grün- und Grautöne reduzierte Farbgebung. Als Gründe verwendet er unter anderem gefärbte und in Streifen geschnittene Kartons, deren Oberflächen oft flächig aufgerissen und zuletzt mit Wachs überzogen werden. Die Wachsschicht bleibt auf den glatten und rauhen Fläche, sowie den Spalten dazwischen unterschiedlich haften, wird zum Teil ganz aufgesogen und lädt so zu einem vielfältigen Spiel des Lichtes ein.

Bei Ruprechters Abstraktion steht nicht das Reduzieren von etwas Dinglichem, wie Natur oder Figur, zur Diskussion, sondern das Schaffen des Bildes um seiner selbst Willen. Bei ihm, wie bei anderen konkreten Künstlern, manifestiert sich dies in minimalistischen Schöpfungen.

In seinen Spielart der konkreten Kunst strebt Ruprechter nach der vollendeten Harmonie zwischen Innen und Außen, zwischen innerem Antrieb und einer dafür adäquaten Bildsprache in Fläche, Raum und Zeit. Denn, obwohl seine Arbeiten durchaus »Bilder« genannt werden können, entstehen sie im Bewusstsein ihres räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs. Raum einerseits gemeint als Bildraum, der durch die farblichen Abstufungen und linearen Schrägen entsteht, durch die brillanten Farbüberlagerungen und Schichtungen in der Aquarell-Wachstechnik, aber auch jener Raum, auf den das Werk sich bezieht und in dem es sich entfalten kann.

So hat der Künstler auf äußerst sensible Weise bei der Werkauswahl und Hängung auf die ganz besonderen Räumlichkeiten der Galerie Schloss Puchheim reagiert: im Erdgeschoß die erdige Schwere der grünen und grün-braunen Wachskartonbilder, im Zwischengeschoss, welches den schönen alten Steinboden aufweist, die grauen, an Betonreliefs erinnernden Industrielack-Werke und im Obergeschoß die luftigen, hellgrün bis hellbläulichen Arbeiten auf Papier und Alu.

Die vierte Dimension, die Zeit, wird bei Ruprechter sowohl im Nachvollzug des langsamen Herstellungsprozesses spürbar, als auch im Verharren vor der zeitlosen Schönheit seiner Werke. Mein Kunsthistorikerkollege Florian Steininger hat sie einmal sehr treffend »Tafeln der inneren Ruhe« genannt und sich damit auf den Philosophen Georg Frank bezogen, der meinte, dass sich das »Geistige in der Kunst« nicht herbeireden ließe, sondern nur erschweigen und dass dies in der Abstraktion wohl am ehesten möglich sei.

Ich möchte in diesem Sinne die wunderbaren Arbeiten von Fritz Ruprechter nicht weiter zerreden, sondern ihnen den gebührenden Raum zum Atmen geben. Bei der Betrachtung der einzelnen Werke werden Sie, sehr geschätzte Damen und Herren bemerken, wie Sie gerade im Minimalismus der Form der ganzen Fülle des Seins nachspüren können.

© Maria Christine Holter, 2011