2014 Knack

Hartwig Knack

Raum in Szene setzen
2014

Meditative Versunkenheit und fernöstliche Philosophie sind Eckpfeiler der abstrakten Bildwelt Fritz Ruprechters. Der Künstler bevorzugt zurückhaltende Farben, seine strenge geometrische Linienführung ist in ihrer Anmutung durchwegs grafisch. Der lasierende Farbauftrag lässt im wahrsten Sinn in die Tiefe blicken und hebt die Bedeutsamkeit von Licht und Schatten im Werk hervor. Ruprechter schneidet den Bildträger, vornehmlich Papier und Karton, in Streifen, setzt diese nach bestimmten geometrischen Gesetzmäßigkeiten wieder zusammen und behandelt die Oberflächen mit Aquarell, Lack und heißem Wachs. So entstehen im Detail nicht geplante Unebenheiten und zufällige Brüche im Material und Sujet, die eine besondere Rhythmik und schlichte Ästhetik evozieren.
Seit Ende der 1990iger Jahre entwickelt Ruprechter erste konzeptuelle Interventionen, mit denen er unmittelbar auf die Architektur der Ausstellungsräume einzuwirken versucht. Seine zahlreichen Aufenthalte in Japan und die Faszination für die flexiblen Schiebewände traditioneller japanischer Wohnhäuser sind dem Künstler sicherlich Anhaltspunkt und Inspiration für seine Installationen, die immer in vorgegebene Raumstrukturen eingreifen.
Grundlage für Architektur ist ein gewisses Raumverständnis, dem wiederum ein geometrischer Begriff von Raum zugrunde liegt. In seiner spirituellen, theoretischen oder philosophischen Größe wird Raum immer auch subjektiv wahrgenommen. Jeder Mensch erfährt Raum oder gliedert räumliche Strukturen aus einer sehr persönlichen Perspektive heraus. Ihm liegt also nicht nur eine geometrische oder mathematische Bemessung zugrunde, sondern das, was Raum ist oder sein kann, wird immer auch individuell definiert und wahrgenommen.

Zwei Beispiele
In der säkularisierten Kirche St. Peter an der Sperr in Wiener Neustadt stellt Ruprechter im Jahr 2007 großformatige und in 90 Grad Winkeln zueinander angeordnete Bildtafeln wie einen Paravent in den Raum und schafft auf diese Weise neue überraschende Perspektiven. Eine weitere mehrteilige Arbeit, die den Besuchern quasi den Weg zum Paravent weist, zeichnet unmittelbar den Verlauf einer maßgeblichen Mauer des ehemaligen Kirchenraums und die daran anschließende Stirnseite der Mauer nach. Die Betrachter sind gefordert: Nur im Durchschreiten des ganzen Ausstellungsraums und durch Einnehmen unterschiedlicher Blickachsen kann die Gesamtheit Ruprechters temporärer Installation erfasst werden.
2002 sehen wir uns im DOK Dokumentationszentrum für Moderne Kunst St. Pölten mit Arbeiten konfrontiert, die zu ihrer Umgebung gleichsam in Beziehung treten, Dialoge eröffnen und die Charakteristika der räumlichen Beschaffenheit mit all ihren Facetten akzentuieren. Geplant hatte Ruprechter diese umfangreiche Einzelausstellung in Zusammenarbeit mit dem renommierten Schweizer Architekten Walter Zschocke, der als international anerkannter Architekturvermittler und Kritiker seit Mitte der Achtziger Jahre in Wien lebte. Alle ausgestellten Arbeiten wurden speziell im Hinblick auf diese Schau geschaffen. Eine langgezogene an die Wand geschmiegte und durch einen Türbogen laufende Arbeit verbindet zwei Räume wie ein Band bildnerisch miteinander und gibt den interessierten Besuchern in der Ausstellung Halt und Orientierung. Ein anderes Bild reicht über die Wand bis auf den Gang hinaus. Durch diesen Kunstgriff erweitert Ruprechter den Gesamtraum merklich und ordnet ihn neu, ein unkomplizierter Übergang zwischen Außen und Innen entsteht. Es konstituiert sich ein Wechselspiel zwischen Offenheit und Geschlossenheit, zwischen architektonischem Umfeld und Linie, Fläche und Körper der Kunstwerke. Mit Bedacht hat der Künstler die Bilder farblich zurückhaltend ausgeführt, um die Raumwirkung der Installation zu betonen.

Der künstlerische Umgang mit Raum und die Wahrnehmung von Raum generell gehören zu den zentralen Punkten aller Installationen Ruprechters, die der Künstler oft von befreundeten Fotografinnen und Künstlern dokumentieren lässt. Wie in der Architektur Raum durch die Wechselbeziehung zwischen Architekturelementen und vor Ort befindlichen Objekten geschaffen wird, so liegt Ruprechters Augenmerk auf Brüchen und Sprüngen in der Wandführung, auf Fenster und Fensternischen, Säulen, Pfeiler, Lichteinfall oder die äußere Beschaffenheit von Mauern, Fußböden und Decken.

Diese und weitere verwandte Aspekte, die wesentlich für die Ausbildung der Proportionen und das Empfinden des Gesamtraums sind, setzt er zu seiner Kunst in Beziehung. In ihrer Synthese sind sie als Angebot an die Betrachter zu verstehen, sich dem Raum zu nähern, in ihn einzutauchen und aus unterschiedlichen Blickpunkten wahrzunehmen.

Mit wohl durchdachten stillen Arrangements erschließt sich Ruprechter seine Ausstellungsräume, spürt den Besonderheiten dieser Orte nach und versucht sie zu fassen. Die Besucher ihrerseits sehen sich durch diese künstlerischen Interventionen unvermittelt mit einem neuen Raumempfinden konfrontiert, weil Türschwellen plötzlich keine Barrieren mehr darstellen, kleine Räume gleichsam geöffnet werden und groß erscheinen, Bodenspiegelungen von darüber schwebenden Bildern aufgenommen oder turbulent-heterogene Wandstrukturen zur Ruhe gebracht werden.

Ruprechter schafft dynamische orts- und situationsspezifische Werke, die, vergleichbar einer Partitur in der Musik, als Komposition das architektonische Geschehen in ein facettenreiches Gesamtbild überführen und auf besondere Art und Weise zur Entfaltung bringen.

Hartwig Knack