2014 Angerholzer

Susanne Angeholzer

Le Cube - independent art room
in Rabat (Marokko)
2014

Der österreichische Künstler Fritz Ruprechter hat für sein bildnerisches Schaffen eine eigene Technik entwickelt. Auf Holz, Papier oder Karton trägt er Aquarellfarben und Industrielacke auf, die wiederum mit Parafin überarbeitet werden, manchmal unter Einsatz so banaler Haushaltsapparate wie ein Bügeleisen. Gerade, diagonale, sich kreuzende Linien zieht er mit Kugelschreiber und Bleistift oder erzielt sie durch Falzen sowie auch Falten des Trägermaterials. Beeindruckend ist die Exaktheit  und Perfektion der Durchführung. Obwohl die Linien nie parallel angeordnet sind, entsteht trotzdem weder Unruhe noch Unordnung. Ein harmonisches Nebeneinander einer Unzahl von Richtungen, Winkeln und Steilgraden. Es finden sich Linien, die dazu dienen Flächen zu schaffen und solche, die diese wiederum trennen. Aber Linien sind immer da. Sie sind ein zentrales Gestaltungselement.

Ruprechters Bilder sind minimalistisch in ihrer Gestaltung und Farbgebung, in sich selbst ruhend und meditativ. „Anschauung zur Selbstreflexion“ schreibt der österreichische Kunsthistoriker Florian Steininger zu Rupechters Bildern und nennt sie treffend „Tafeln der inneren Ruhe“.
Seine Kunst wird oft als abstrakt bezeichnet, wohingegen der Künstler selbst seine Arbeiten als konkret versteht, da in seinen Arbeiten ganz konkrete Gegenstände hergestellt und nicht von der Natur abstrahiert werden. „in der klassischen moderne wurde noch der Begriff "abstrakt" für alle "nichtgegenständliche" kunst verwendet. meine arbeiten beschäftigen sich in erster linie mit farbe, proportion, fläche, material usw... und können natürlich auch mit natur zb. bambus oder regen... etc assoziiert werden. assoziationen werden zugelassen aber nicht ausdrücklich intendiert. meine arbeiten haben meistens auch keine titel, damit nicht vom bild weg-gelenkt wird.“
Als Ziel der Konkreten Kunst formuliert Max Bill 1949 in seiner Einleitung zum Katalog der Ausstellung Zürcher konkrete Kunst: „das ziel der konkreten kunst ist es, gegenstände für den geistigen gebrauch zu entwickeln, ähnlich wie der mensch sich gegenstände schafft für den materiellen gebrauch. […] konkrete kunst ist in ihrer letzten konsequenz der reine ausdruck von harmonischem maß und gesetz. sie ordnet systeme und gibt mit künstlerischen mitteln diesen ordnungen das leben.“

Die aktuelle Ausstellung umfasst kleine Wandtafeln, Fahnenbilder Faltbilder und Fotografien.

Die Fahnenbilder, wie ich sie nenne, erlangen ihre beste Wirkung, wenn sie von der Wand losgelöst frei im Raum hängen. Sie verlassen die Wand,  treten in den Raum, verändern und  gestalten ihn mit. Transparent durch die Beschaffenheit des Trägermaterials sind sie in den von Ruprechter so oft verwendeten zurückhaltenden, blaugrünen Aquarellfarben gehalten. Die Transparenz ist eine zusätzliche Facette im Spiel von Licht und Schatten, ein Gestaltungselement, das in Ruprechters Werk wichtig  ist und mit dem der Künstler lustvoll experimentiert.

Die Faltbilder sind Arbeiten, die durch die Faltung des Trägermaterials die traditionellen Umrisse eines Bildes wie rechteckig, quadratisch oder rund aufreißen und einen neuen Umriss erschaffen, der bei jedem Bild individuell verschieden ist. Der Eindruck, den ein Bild an der Wand vermittelt, geht verloren und obwohl ein Teil der Faltbilder noch flächig ist, kommt man dem Objekt sehr nahe. Die Faltung bewirkt gewollt Licht- und Schatteneffekte. Ebenso Farbnuancierungen durch die Schrägen, die durch die Faltung entstehen. Man sieht, dass der Künstler hier experimentiert und versucht, seinen bisherigen „Rahmen“ zu sprengen.

Neben Bildtafeln und Faltbildern zeigt die Ausstellung Fotografien. Auch in diesen Arbeiten begegnen uns Linien: Linien, die Regentropfen ziehen und Linien, die Wasserstrahlen von Springbrunnen zeichnen. Die Fotografien sind in feinen, graugrünen Pastellfarben gehalten. Es berührt die Ruhe und die Stimmung, die die Fotoarbeiten ausstrahlen und die zur Kontemplation einladen. Alles verschwimmt in diffusem Licht und zitiert Landschaftsbilder der chinesischen Tuschemalerei.
Die Linien, die die Regentropfen und Wasserstrahlen in den Fotoarbeiten ziehen, könnten sehr wohl eine Parallele zu den Linien in den abstrakten Arbeiten darstellen. Bemerkenswert ist vor allem die Anlehnung an die chinesische Tuschemalerei.

Fritz Ruprechter praktiziert seit vielen Jahren die japanische Kunst des Bogenschießens Kyudo. Parallelen zu seinem bildnerischen Schaffen drängen sich auf. Kyudo verlangt vom Schützen Konzentration und Präzision und der Schuss gelingt nur in vollkommener Ruhe. Pfeile sind Linien und ziehen wiederum präzise und exakt ausgeführte Linien. Der Künstler beschäftigt sich auch seit langer Zeit mit Zen-Buddhismus, dessen Spiritualität Niederschlag in seinen Arbeiten findet.

Fritz Ruprechter hat seine Werke in zahlreichen Ausstellungen in ganz Europa,  Lateinamerika und in Japan gezeigt. Er wirkt und arbeitet in Maria Lanzendorf, wenige Kilometer südlich von Österreichs Hauptstadt Wien. Die Ausstellung im Le Cube – independent art room in Rabat ist die erste Präsentation seiner Arbeiten in Marokko und auf dem afrikanischen Kontinent.

Susanne Angerholzer